In Neuwied wurde ein Zweckbau in ein Kunstwerk verwandelt. Wer schon mal die Kirmes in Neuwied besucht hat, kennt es. Schließlich dient es auch der Erleichterung. Und gleich neben den Toiletten sitzt die Kirmesaufsicht. Jetzt bekam das Kirmeshäuschen an der Gustav-Stresemann-Straße den künstlerischen Ritterschlag durch den weltweit bekannten Bananensprayer verpasst.

Kunstrebell und Graffiti-Ikone
Die einen bezeichnen ihn als mysteriösen Kunstrebell oder Robin Hood des Zeitgeistes. Andere lieben ihn für seine subversiven Sprayaktionen, Performances oder Happenings. Die Rede ist von Thomas Baumgärtel, der als Bananensprayer die internationale Kunstszene seit Mitte der 1980er Jahre aufmischt. Jetzt machte der 60-jährige Künstler Station in Neuwied. In einem exklusiven Workshop gab er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Tipps zur Stenciltechnik und Graffitikunst. Echte Streetart, die Baumgärtel berühmt gemacht hat.

Street Art im OP
Eigentlich wollte der in Rheinberg am Niederrhein geborene Künstler Arzt werden. Doch nach seinem Zivildienst in einem katholischen Krankenhaus hatte der Wahlkölner andere Pläne und studierte Freie Kunst und Psychologie. Doch eins blieb: Er wollte unbedingt in einem Operationssaal sprühen. Es dauerte noch 33 Jahre, bis sein Wunsch in Erfüllung ging. Vor drei Jahren wurde das scheinbar Unmögliche möglich gemacht. Thomas Baumgärtel durfte in einem Bonner Krankenhaus das weltweit erste Graffiti in einem OP sprühen.

Guerillakunst
Wann genau er mit der Bananensprayerei angefangen hat, weiß der 60-Jährige gar nicht mehr genau. „Es war irgendwann im Jahr 1986 oder so. Da bin ich mit meinen Schablonen durch Köln gezogen und habe meine Banane an zeitgenössischen Orten hinterlassen, die Kunst in meinem Sinn widerspiegeln. Ich habe mir daher hauptsächlich Galerien und Kunstmuseen ausgesucht. Köln galt damals als der Hotspot für Kunst in Deutschland.“ Immer klammheimlich. Immer mit der Angst im Nacken, erwischt zu werden. Guerillakunst eben.

Banane im Kölner Dom
Mittlerweile hat der Künstler eine Lizenz zum Sprayen. Denn inzwischen gibt es weltweit über 4.000 zeitgenössische Orte, an denen Baumgärtels markante Spraybanane prangt. Als Konzeptkünstler macht er auch vor Aktionen mit plastischen Bananen nicht halt.
„Street Art vermittelt ein besonderes Gefühl der Freiheit.“
Bananensprayer Thomas Baumgärtel
So stellte er eine überdimensionale Banane ins Hauptportal des Kölner Doms, der damals sein 750-jähriges Jubiläum feierte. Diese Aktion kam erwartungsgemäß aber nicht bei allen gut an.

Traum erfüllt
Für Arne Kalkan und Melanie Mahlberg ging jetzt ein Traum in Erfüllung. „Vor mehr als zehn Jahren habe ich an der Fassade des Arp Museum Bahnhof Rolandseck die Banane entdeckt“, erinnert sich der 47-Jährige. „Da ich damals nicht wusste, von wem das kleine Kunstwerk stammt, habe ich den damaligen Museumsdirektor gefragt. Er hat mich über die Hintergründe und den Künstler aufgeklärt.“

Ein eigenes Kunstwerk
Seither war das Ehepaar aus Vallendar bei Reisen immer auf der Suche nach der berühmten Südfrucht. Und die Chance, ein Kunstmuseum oder eine Wand mit der berühmten Banane zu finden, ist groß. Wahrscheinlich gibt es über 4.000 von ihnen auf der ganzen Welt. „Ich bin total begeistert, dass wir jetzt in Neuwied beim Workshop dabei sein konnten“, strahlt Melanie Mahlberg, die sich ihre Graffitivorlage persönlich von Thomas Baumgärtel signieren ließ.

Kollektives Kunsterlebnis
Gemeinsam mit weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern nahmen die beiden Bananenfans bei strahlendem Sonnenschein an dem Workshop vor dem Kirmeshäuschen teil. „Für uns war das ein unvergesslicher Tag“, so das Resümee des kunstinteressierten Paars. „Thomas Baumgärtel hat uns alles genau erklärt und stand uns mit Rat und Tat zur Seite. Er ist ein lockerer und sehr nahbarer Zeitgenosse. Es hat sehr viel Spaß gemacht.“

Bunter Obstsalat
Nach den Werkstattstunden unter freiem Himmel, in denen verschiedene Obstsorten zu Papier gebracht und mit dem Cuttermesser zu mehrlagigen Graffiti-Vorlagen geschnitten wurden, ging es ans Werk. Gemeinsam mit dem Künstler wurde die Waschbetonfassade des Kirmeshäuschen in einen neuen Neuwieder Kunstort verwandelt. Neben der prominenten Banane ist jetzt auch der Obstsalat der Nachwuchskünstler verewigt. „Ich habe neben Pippi Langstrumpf auch noch Tim und Struppi auf dem Weg zur Freiheit beigefügt“, freut sich Thomas Baumgärtel.

Zeichen der freien Kunst
Was plant Thomas Baumgärtel für die Zukunft? „Ich möchte gerne das Brandenburger Tor in Berlin mit einer Riesenbanane ausstatten. Bisher bin ich mit meinen Anfragen auf taube Ohren gestoßen. In den letzten Jahren prasselte es nur Absagen. „Für mich ist das Brandenburger Tor das architektonische Sinnbild der Deutschen. Dieses markante Gebäude steht für die letzten 200 Jahre deutscher Geschichte. Ich möchte das Brandenburger Tor gerne als Symbol der deutschen Geschichte in einem Gesamtkunstwerk mit der Banane als Zeichen der freien Kunst in der Hauptstadt zusammenbringen.“ Und wie lange will er noch auf eine positive Antwort warten? „Die Zeit ist mir Banane. Irgendwann wird es klappen“, ist sich der Kunstrebell sicher.

Fotos (10) © Holger Bernert
Eine sehr schöne Geschichte aus Neuwied, die Stadt mit viel kulturellem Background. Da passt der Bananensprayer prima hinein.