Auf dem Neuwieder Luisenplatz wurde allen sehr schnell klar: ein Leben ohne Currywurst ist möglich, aber sinnlos

Petra Neuendorf hatte vor 16 Jahren eine etwas schräge Idee, die anfänglich von vielen nur leise belächelt wurde. Die Neuwieder Stadtmarketing-Chefin wollte der Currywurst ein kulinarisches Denkmal setzen. Seither wird dem scharfen Klassiker einmal im Jahr gehuldigt. Über 24 Imbissbetriebe nahmen diesmal am Festival der Currywurst auf dem Luisenplatz in der Neuwieder Innenstadt teil. Drei Tage lang ging es Ende Januar wieder um die Wurst im Curry-Gewand. Wir haben den Neuwieder Standbetreiberinnen und Standbetreibern mal über die Schulter geschaut.

Seine Currywurst-Kreationen haben mittlerweile Kultstatus: Michael Perske

Kultstatus

Die kulinarische Tour über den Festivalplatz starteten wir bei Michael Perske. Vor sechs Jahren hat der sich entschlossen, sein berufliches Leben als Banker hinter sich zu lassen. Dann kam ihm die Idee zur Suppenmanufaktur „Don Terrino“. Seither hat er über 300 Gerichte im kulinarischen Portfolio. Mit seinem Currywurst-Topf „Angkor Wat“ war er auf dem Festival vertreten. Seine Chili-Bratwurst in einer würzigen Tomatensoße, die mit feinem rotem Kampot-Pfeffer gewürzt wurde, kam bei den Leuten sehr gut an.

Wer’s mag und verträgt, bekam bei Herbert Meyer den Schärfegrad „Ungenießbar“

Bis zur Schmerzgrenze …

… und darüber hinaus. Der Schärfegrad einer Currywurst wird nicht in Prozent oder Promille, sondern in Scoville „gemessen“. Besser gesagt handelt es sich dabei um eine Scala, in die die Schärfe eingeteilt wird. Entwickelt hat diese Einteilung der amerikanische Pharmakologe Wilbur Lincoln Scoville, der vor über hundert Jahren den Capsaicin-Gehalt von Chili, einem wichtigen Bestandteil der Currysoße, bestimmen wollte. Die normale Schärfe liegt bei milden 100 bis 500 Scoville. Auf dem Festival der Currywurst gab es aber auch Schärfegrade bis zu fünf Millionen Scoville. Für jeden Gaumen war also genau das richtige Angebot dabei.

Bei Herbert und Andrea (2. v. r.) Meyer gab es ganz scharfe Dinger vom Schwenkgrill

T-Shirt für ganz Mutige

Wer es mit der übertriebenen Schärfe unbedingt ausprobieren wollte, war am Stand der Neuwieder Schaustellerfamilie Meyer bestens aufgehoben. „Fünf Millionen Scoville ist schon ein Brett“, sagt Herbert Meyer. „Das ist kaum zu schaffen.“ Wer es trotzdem versucht und das Martyrium übersteht, bekommt ein T-Shirt als Belohnung. „Wir haben aber auch Currywurst-Variationen, die mit ihren sieben unterschiedlichen Toppings deutlich milder und entsprechend verträglicher sind. Die bevorzugen unsere Kundinnen und Kunden – und wir auch. Es muss einfach lecker sein.“

So mancher hielt uns anfangs schon für reichlich verrückt“

Petra Neuendorf gilt als Erfinderin des Festivals der Currywurst in Neuwied

Erfunden in Berlin…?

Wer hat’s eigentlich erfunden? Nein, diesmal waren es nicht die Schweizer. Allerdings streiten sich Hamburg und Berlin um das Urheberrecht. Beide Städte behaupten, dass die Currywurst dort erfunden wurde. Fest steht, dass die Berlinerin Herta Heuwer ein Patent angemeldet hat. Das war 1949. Nach überlieferten Erzählungen habe sich die Betreiberin einer Imbissbude am Stuttgarter Platz in Charlottenburg eines Tages so gelangweilt, dass sie mit dem kulinarischen Experimentieren begann. So soll sie Tomatenmark mit allerlei Gewürzen verrührt haben. Die auf diese Weise kreierte Soße gab sie dann über eine in Stücke geschnittene Brühwurst. Unter der Bezeichnung „Chillup“ ließ Herta Heuwer ihre Erfindung 1959 patentieren. Das Originalrezept soll sie allerdings 1999 mit ins Grab genommen haben.

Die Wiege der Currywurst liegt in Berlin oder Hamburg, aber sicher nicht im Ruhrgebiet

… oder doch in Hamburg?

In der 1993 erschienenen Novelle „Die Entdeckung der Currywurst“ von Uwe Timm, geht die Erfindung auf den fiktiven Charakter der Lena Brücker zurück. Sie soll nach einer tragischen Liebe zu einem Deserteur, kurz nach Ende des 2. Weltkriegs, eine Imbissbude eröffnet haben. Dort habe sie dann die erste Currywurst in der noch jungen Bundesrepublik zubereitet. Für den 1940 geborenen Autor steht sie als Erfinderin der Currywurst fest, denn er will bereits als siebenjähriger Knirps seine erste Currywurst an einem Imbissstand auf dem Großneumarkt in der Hamburger Neustadt gegessen haben. Also zwei Jahre bevor die Currywurst in Berlin an den Start ging. Und das Ruhrgebiet? Geht leer aus. Dort huldigt nur einer dem scharfen Klassiker: Herbert Grönemeyer hat der Currywurst wenigstens eine musikalische Hommage zukommen lassen.

Mit seiner Mitarbeiterin lud Michael Neitzert zur kulinarischen Weltreise

Kulinarische Weltreise

Wer die Welt der Currywurst kennenlernen möchte, muss nicht unbedingt auf eine Reise rund um den Erdball gehen. Da reicht ein Abstecher zu Michael Neitzert. Auf seiner Speisekarte gibt es 24 Currywurst-Spezialitäten aus dem In- und Ausland. Und alle garantiert frei erfunden. Da gibt es zum Beispiel die „Ostfriesen-Currywurst“ mit frischen Nordseekrabben. „Wir haben einen Krabbenfischer in der Familie“, erzählte uns der Heddesdorfer. „Da lag die Idee dieser Variation natürlich nahe. Die war der absolute Renner auf dem Festival der Currywurst.“ Ein weiterer lukullischer Gag von Michael Neitzert: „Golden Eye“, eine Currywurst mit 22-karätigem Blattgold. Sehr edel.

Stephan Monzen hat seine eiskalte Leidenschaft vorgestellt

Currywurst-Eis

Den feinschmeckerischen Vogel hatte wohl Stephan Monzen mit seinem Currywurst-Eis abgeschossen. „Die Idee hatte ich vier Wochen vor Veranstaltungsbeginn. Unvorstellbar, aber cool. Eine Westerwälder Eismanufaktur hat mir bei der Umsetzung geholfen.“ Wer dieses eisige Geschmacksabenteuer nicht eingehen wollte, wählte am Imbisswagen „Zum Holzkopp“ den „Hubert-Spieß“. Dabei lässt Bayern grüßen. „Das ist eine Weißwurst mit paniertem Fleischkäse, süßem Senf und einer Mangosalsa“, machte der gelernte Koch neugierig.

Nicht nur für Hippies war „Flower Power“ ein absolutes Muss

Blühende Exotik in der Schale

Wer die „Zeit der Hippies“ auch mal kulinarisch auf sich wirken lassen wollte, hat sich am Stand von Philipp Meyer und seinem Team „Flower-Power“ angestellt. Eine Bratwurst in Honig-Curry-Soße, mit Schnittlauch und dazu jede Menge essbare, bunte Blüten. Eine Komposition, die auch die Geschmacksknospen aufblühen ließ. Das war aber nur eine von insgesamt 31 Currywurst-Variationen, die der kulinarischen Phantasie der Seniorchefin Ingrid Meyer entsprungen ist. Aus ihrer Rezeptsammlung stammt auch die Lakritz-Currywurst.

Andrea (l.) und Petra Wahl mögen den scharfen Klassiker

Einfach, klassisch, lecker

Seit mittlerweile 43 Jahren betreibt die Familie Wahl einen Imbiss in Neuwied. Den Grundstein für das Familienunternehmen hat der Vater von Andrea Wahl gelegt. „Gemeinsam mit meiner Schwester Petra bieten wir in Wahl’s Wurstbraterei die Currywurst klassisch an. Ohne Schnickschnack und Firlefanz. So lieben es unsere Stammkunden von unserem Imbissstand in der Marktstraße.“ Für das Currywurst-Festival wurden die unterschiedlichen Wurstarten mit Curry-Mangosoße, Bolognesesoße oder Zwiebeln aufgepimpt.

Jetzt freuen sich Standbetreiber und Besucher auf eine Neuauflage im kommenden Jahr

Das muss ich wissen …

Festival der Currywurst
(findet immer am ersten Januarwochenende statt)
Luisenplatz (Innenstadt)
56564 Neuwied
www.neuwied.de

Information:

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