Das „Who’s Who“ der Neuwieder Bürgerschaft ruht auf dem Alten Friedhof

Als einzigartige Reise durch die Neuwieder Geschichte bezeichnet Hans-Joachim Feix den Besuch des Alten Friedhofs in Neuwied. 1783 löste der erste städtische und konfessionsübergreifende Friedhof die Begräbnisstätten an den Kirchen ab. Über 4.000 Menschen – darunter viele bekannte Neuwieder Bürgerinnen und Bürger ­– haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Die Wiedsche Fürstengruft inmitten des Alten Friedhofs in Neuwied

Sobald man den Alten Friedhof an der Julius-Remy-Straße betritt, scheint die Zeit in diesem Kleinod stehenzubleiben. Die zahlreichen Grabmale sind stumme Zeugen einer längst vergangenen Zeit geworden. Doch vergessen wurde hier niemand. Dafür sorgt Hans-Joachim Feix, der seit 15 Jahren die Geschichten der Neuwieder Menschen erforscht und aufschreibt, die hier rund um die Fürstengruft beigesetzt wurden. Ein einzigartiges „Who’s Who“ der Neuwieder Bürgerschaft.

Hans-Joachim Feix kennt den Alten Friedhof wie seine Westentasche

Bevor Hans-Joachim Feix 2004 in den Ruhestand ging, war er 20 Jahre Leiter der Neuwieder Diakonie. Nach seiner Berufstätigkeit nahm der Dipl.-Pädagoge und Diakon seine ehrenamtlichen Tätigkeiten als Friedhofsführer und Heimatforscher auf. „Früher hatte ich keine Zeit für dieses Hobby“, sagt der 79-Jährige während eines Rundgangs über den Alten Friedhof. In regelmäßigen Führungen nimmt er interessierte Besucherinnen und Besucher mit auf eine faszinierende Zeitreise.

Das Bernstein-Grab liegt Hans-Joachim Feix besonders am Herzen

Ein „Lieblingsgrab“ hat Feix auch. Als einer von vielen Grabpaten, die sich um den Erhalt der historischen Gräber auf dem Alten Friedhof kümmern, sorgt er sich um die letzte Ruhestätte von Johann Gottlob Bernstein und seinem Sohn Johann Theodor Christian. Während der Vater als „Bader“ über die Dörfer zog, um kranken Menschen zu helfen, machte der Junior als Fürstlich-Wiedscher Hofrat, Leibarzt der Fürstenfamilie und Kreis-Physikus Karriere. „Mich hat die Karriere des Vaters sehr fasziniert. Ohne Medizinstudium hat er es bis zum Professor an der Berliner Universität geschafft.“

Christoph Heinrich „Reusch gilt als Erfinder des „Muckefuck“

Der Gang über den Alten Friedhof in Neuwied ist eine spannende Zeitreise

Hans-Joachim Feix, Heimatforscher und Friedhofsführer

Ein weiterer prominenter Neuwieder liegt ein paar Grabsteine weiter. Christoph Heinrich Reusch trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Tischler. Sein angefangenes Architekturstudium in Braunschweig musste er jedoch aufgrund fehlender Geldmittel aufgeben. Nach seiner Rückkehr nach Neuwied hatte Reusch die zündende Idee. „Aufgrund der im Jahr 1806 verhängten Kontinentalsperre gab es in Deutschland kaum noch echten Bohnenkaffee“, erzählt der Friedhofsexperte. „In Braunschweig lernte er über den Anbau und die Verarbeitung der Cichorie kennen. Aus der Wurzel der Gemeinen Wegwarte konnte man ein kaffeeartiges Getränk herstellen“. Die Geburtsstunde des berühmten Blümchenkaffees „Muckefuck“. Im Laufe der Folgejahre gründete Reusch eine Fabrik, in der „Neuwieder Pfau-Kaffee“ produziert wurde.

Emanzipation wurde erst durch Clemens Nohl möglich

Was wäre die Emanzipation der Frau ohne den Neuwieder Lehrer Clemens Nohl? Der Pädagoge und Direktor der damaligen „Dr. Schwalb’schen Mädchen-Erziehungsanstalt“ setzte sich zum Ende des 19. Jahrhunderts entschieden für einen emanzipatorischen Erziehungsstil ein und forderte vehement eine umfassende Ausbildung des Lehrkörpers. Neben der Vermittlung von Fachwissen sollte die Pädagogik nach den Vorstellungen des Schulreformers eine große Bedeutung erlangen. Und das ist ihm auch tatsächlich gelungen.

Im ehemaligen „Leichenhaus“ hängen 350 Porträts von Verstorbenen

Aus dem Alten Friedhof ist längst eine gepflegte Parkanlage geworden, die zu jeder Jahreszeit einen Besuch lohnenswert macht. Ehrenamtliche Grabpaten und städtische Gärtner sorgen dafür, dass es auch in Zukunft so bleibt. Doch die Arbeit von Hans-Joachim Feix ist noch längst nicht abgeschlossen. „Ich suche weiterhin nach Bildern von Verstorbenen, die hier im Laufe der Jahrhunderte begraben wurden.“ Bisher hat er es auf rund 350 Porträts gebracht, die in einer Porträtgalerie im 150 Jahre alten „Leichenhaus“ hängen.

1783 wurde der Friedhof als konfessionsübergreifende Begräbnisstätte eingeweiht

Auch als Buchautor hat sich Hans-Joachim Feix längst einen Namen gemacht. Neben den beiden Büchern „Historische Neuwieder Persönlichkeiten“ und „Globetrotter, Abenteurer, Reisende“ hat er bereits den siebten Band des Buches „Geschichte und Geschichten vom Alten Friedhof Neuwied“ herausgebracht. Ob noch eine achte Auflage erscheinen wird? Zu erzählen hätte der Friedhofsführer und Heimatforscher jedenfalls noch eine Menge.

Die nächste Führung findet am Sonntag, 24. April, 14 Uhr, statt.

Da muss ich hin ...

Treffpunkt ist der Friedhofseingang an der Julius-Remy-Straße.

Kosten
Erwachsene fünf Euro, Kinder von 6 bis 14 Jahren drei Euro. Eine Anmeldung bis drei Tage vor dem angeführten Termin ist erforderlich, die Teilnehmerzahl ist auf 15 beschränkt. Weitere Informationen, auch zu individuellen Führungen, gibt es bei der Tourist-Information der Stadt Neuwied, Telefon 0263 8025555, tourist-information@neuwied.de. Einen Überblick zu allen angebotenen Führungen gibt es hier: www.neuwied.de/stadtfuehrungen.html.

Text & Fotos (7) © Holger Bernert

1 Kommentar zu „Das „Who’s Who“ der Neuwieder Bürgerschaft ruht auf dem Alten Friedhof“

  1. Der Friedhof in Neuwied sieht sehr interessant aus. Ich kann mir vorstellen, dass die Grabmale eine Geschichte widerspiegeln, die in dieser Zeit stattgefunden hat. Ich frage mich, ob es möglich ist, Grabmale in dieser Form zu bestellen.

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