Feine Tropfen, edle Aromen und ein harmonisches Zwischenspiel prägen das Leben von Inge und Werner Wasl aus Neuwied

Mitte der 1990er Jahre hatte Werner Wasl eine echte Schnapsidee. Er wollte die Früchte aus dem Garten hinter seinem Haus nicht mehr essen, sondern sie zu Schnaps für den Eigenbedarf veredeln. Aus dem Hobby ist längst eine Profession geworden. Gemeinsam mit Ehefrau Inge betreibt der Neuwieder im Stadtteil Feldkirchen die Gönnersdorfer Edelobstbrennerei und destilliert Gutes von der Streuobstwiese.

Aus diesem Apfel macht Werner Wasl ein „hochgeistiges“ Produkt

Vier Jahrzehnte bei der Bahn

Das Schnapsbrennen durfte für Werner Wasl aus beruflichen Gründen nicht über eine Freizeitleidenschaft hinausgehen. „Als Bundesbahnbeamter wurde mir ein Nebenerwerb nicht gestattet“, betrachtet der 67-jährige die damalige Situation heute eher nüchtern. „Und so musste meine Frau unsere Edelobstbrennerei unter ihrem Namen anmelden.“ Zuletzt arbeitete der Fahrdienstleiter im Stellwerk des Koblenzer Hauptbahnhofs. Nach seiner Ausbildung im mittleren Dienst hat er schon Fahrkarten verkauft und Güterwagen rangiert. Doch 2014 war Schluss. Nach 43 Jahren hat Werner Wasl aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig seinen Dienst quittiert und ging in Pension.

Inge Wasl liebt Stricken und Klönen

Stricken und Klönen

Auch für Inge Wasl endete das Berufsleben frühzeitig. Die gelernte Bürokauffrau war bis zu ihrer Rente im Jahr 2014 ein Vierteljahrhundert in der Schuldnerberatung und im Sekretariat des Diakonischen Werks in Neuwied tätig. „Die Arbeit hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Doch zuletzt ging es einfach nicht mehr.“ Natürlich packt die 66-Jährige in der Brennerei tatkräftig mit an. „Doch das ist eigentlich die Welt meines Mannes.“ Als begeisterte Strickerin und Köchin trifft sie sich regelmäßig mit ihren Freundinnen zum Klönen und Handarbeiten. „Beim Stricken kann ich herrlich entspannen. Das ist wie Meditation für mich.“

Schnapsbrenner und begeisterter Harmonika-Spieler

Liebe zum Handziehinstrument

Als Werner Wasl seinen 60. Geburtstag feierte, bekam er von seinen Kindern einen Harmonika-Workshop in der Steiermark geschenkt. „Ich stamme aus einer sehr musikalischen Familie. Mein Vater war begeisterter Zither-Spieler, mein Bruder spielt Klavier und Geige und meine Schwester Schifferklavier. Für mich als jüngster Spross blieb kein Geld für ein Musikinstrument übrig.“

„Wenn ich auf meiner Harmonika spiele, kann ich die Welt um mich herum vergessen“

Werner Wasl, leidenschaftlicher Harmonika-Spieler

Das sollte sich viele Jahre später jedoch ändern. „Bei dem Workshop habe ich im Rahmen unseres Urlaubs meine Liebe zur Harmonika entdeckt. Seither bin ich leidenschaftlicher Spieler. Und das ganz ohne Notenkenntnisse.“ Natürlich verbringen die beiden Steiermark-Fans ihren Jahresurlaub regelmäßig im Süden Österreichs – mit ausgedehnten Wanderungen, leckerem Essen und jeder Menge handgemachter Musik.

Auch direkt am Haus kann Werner Wasl Äpfel pflücken

Wichtiger ökologischer Beitrag

Durch die schonende Verarbeitung der Früchte aus dem eigenen Garten und Obst aus der Region leistet die Abfindungsbrennerei von Inge und Werner Wasl einen wichtigen Beitrag zum Erhalt eines ökologisch wertvollen Lebensraums. „Auf Streuobstwiesen wachsen die für unsere Region so typischen Obstsorten“, weiß Werner Wasl. „Durch unsere Arbeit tragen wir aktiv dazu bei, dass auch die Generation nach uns noch Freude an dieser Form des natürlichen Obstanbaus haben wird.“ Auf der Streuobstwiese stehen Bäume, die teilweise 50 Jahre und älter sind. In Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung Neuwied wurden jetzt zusätzlich hochstämmige Obstbäume gepflanzt, um die Ursprünglichkeit einer Streuobstwiese wiederherzustellen.

Erst im Glas entwickelt der Schnaps seine aromatische Vielfalt

Aromenvielfalt im Glas

In der kleinen Brennerei hinter dem Haus der Familie entstehen mit jedem Brand unverwechselbare Produkte. „Für uns ist die Individualität unserer Schnäpse neben Ökologie und Wirtschaftlichkeit ein wichtiger Faktor.“ So sind dem Schnapsbrenner industriell gefertigte Spirituosen mit fadem Einheitsgeschmack ein Gräuel. „Jeder Jahrgang bringt bei uns den feinen Unterschied. Das hebt uns klar von der Massenware ab, die statt auf Qualität eher auf Quantität setzt.“ Der echte Genuss liegt nach Auskunft von Werner Wasl in der Mäßigung. „So dient ein fruchtiger Likör aus unserem Sortiment, aufgefüllt mit einem spritzigen Winzersekt, als anregender Aperitif vor dem Essen. Und anschließend sorgt ein Gläschen Gönnersdorfer Kräuterlikör für ein entspanntes Wohlgefühl.“

In diesem Jahr fällt auch die Apfelernte eher mäßig aus

Deutlich weniger Ertrag

Aufgrund der Trockenheit muss Werner Wasl auch in diesem Jahr wieder Obst zukaufen. „Derzeit warten 300 Liter Kirsch- und 1.000 Liter Zwetschgenmaische auf die Weiterverarbeitung. Hinzu kommt noch der Saft von den eigenen 120 Bäumen unserer Streuobstwiese. Aber auch hier war die Ernte eher mäßig. Für uns als Nebenerwerbbrenner ist das nicht so schlimm, da wir grundsätzlich nur fünf bis sechs Jahre gelagerte Schnäpse verkaufen. Und damals waren die Ernten sehr üppig.“

Tochter Eva und ihr Mann Thomas haben diesen Gin kreiert

Die nächste Generation

In den kommenden Jahren möchte der Neuwieder Schnapsbrenner kürzertreten. Doch wer soll seine Nachfolge antreten? Werner Wasl möchte gerne, dass das Brennrecht in der Familie bleibt. Tochter Eva hat mit ihrem Mann Thomas bereits mit „Morbele“ und „Linden“ zwei eigene Gins kreiert. „Morbele“ ist der rheinische Ausdruck für Blaubeere, die diesem Gin einen ganz besonderen Geschmack verleiht. Natürlich steht auch hier der Wacholder geschmacklich im Vordergrund, doch die nicht zu süße Blaubeernote mit dem zarten Zitrusaroma der Pomeranzenschale machen diesen Gin so einzigartig. Der „Linden Gin“ ist dagegen sehr zitruslastig, der als klassischer Dry Gin neben Wacholder weitere zwölf streng geheime Botanicals enthält. Und dann gibt es noch Sohn Felix, der mittlerweile ebenfalls das Brennerhandwerk beherrscht. „Doch mein Sohn lebt und arbeitet in Mainz. Aber vielleicht wird sich das ja in Zukunft ändern.“

Im Keller der Brennerei lagern flüssige Schätze

So lange es geht

Werner Wasl ist jetzt in einem Alter, in dem die Arbeit nicht mehr ganz so leicht von der Hand geht. „De Arbeit ist sehr anstrengend und geht an die Grenze der körperlichen Belastungen. Natürlich wäre mir am liebsten, wenn sich unsere Kinder zur Nachfolge entscheiden und die Gönnersdorfer Edelobstbrennerei in die zweite Familientradition führen.“ Doch bis es so weit ist, wird der rüstige Rentner weitermachen. „Dazu muss ich jedoch gesund bleiben. Den Spaß daran habe ich jedenfalls noch lange nicht verloren.“

Der Blick durchs Refraktometer

Text und Fotos (10) © derreporter | Holger Bernert

Da muss ich hin …

Gönnersdorfer Edelobstbrennerei
Inge und Werner Wasl
An der Linde 31
56567 Neuwied
Telefon 02631 75763
brennerei.wasl@t-online.de
www.brennerei-w-wasl.de
Öffnungszeiten nach telefonischer Vereinbarung

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