Ganz schön flippig – In Neuwied ist Daddeln bis zum Morgengrauen möglich

Neuwied ist die Stadt der Überraschungen. Oder wussten Sie, dass es ein Flippermuseum mit kleinem Hotel in der Deichstadt gibt? In der Innenstadt hat Axel Hillenbrand  seine Privatsammlung öffentlich zugänglich gemacht. Mit seinem Verein stellt der 52-Jährige rund 150 Flipperautomaten aus. Dabei sind fast alle Exponate bespielbar. An jedem Wochenende können sich die Flipper-Fans hier die Kugel geben. Und wer nicht genug davon bekommen hat, kann im angeschlossenen Flipperhotel übernachten. Natürlich verfügt jedes der drei Zimmer und Suiten einen eigenen Flipper.

El Dorado für Daddler

Betritt man die Räumlichkeiten des Deutschen Flippermuseums in Neuwied, erinnert das Klingeln, Klacken und bunte Flackern an lange Nächte in der hintersten Kneipenecke. Bei Axel Hillenbrand und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern vom Verein Deutsches Flippermuseum können die Besucherinnen und Besucher auf eine flippige Zeitreise gehen, die 1930 beginnt und bis in die Neuzeit reicht. „Wir sind ein Museum zum Anfassen“, sagt der Museumschef. „Bei uns erfahren die Leute nicht nur etwas zur bewegten Geschichte der Flipperautomaten. Sie können die Exponate auch selbst bespielen.“

Neunzig Jahre Flippergeschichte

Aber was ist ein Flipperautomat überhaupt? „Es handelt sich um ein mechanisches und später elektromechanisches Unterhaltungs- und Geschicklichkeitsgerät“, antwortet Axel Hillenbrand eher nüchtern. „Dabei wird die stählerne Kugel auf einer schrägen Ebene bewegt. Dabei kommt es natürlich auf das Geschick der Spielerinnen und Spieler an.“ Doch nicht nur technikaffine Besucherinnen und Besucher kommen hier auf ihre Kosten. „Wir erzählen auch die fast 90-jährige Geschichte der Flipperautomaten.“

Technische Meisterwerke

Ältestes Exponat der umfangreichen Sammlung ist der „Victory Ball“. Der 1932 von O. D. Jennings & Company in den USA gebaute Automat ist ein früher Vertreter des Pinballs. „Die Kugel wird dabei mittels einer Feder auf die Schräge gebracht“, erklärt der Experte. „Die Kugel sollte dann möglichst in einer der Nadelnester, die mit unterschiedlich hohen Punktwerten belegt sind. Denn schon damals galt die Devise: Wer die meisten Punkte einsammelt, hat das Spiel gewonnen.“

Erstes Videospielgerät

Zu bestaunen gibt es auch eines der ersten Videospielgeräte, das 1975 als eines der ersten seiner Art kommerziell eingesetzt wurde. Gebaut wurde das damalige Wunderwerk der Technik von der Chicago Coin Machine Manufacturing Company. „Mittlerweile gibt es meines Wissens weltweit nur noch neun Stück“, vermutet Axel Hillenbrand. „Die Spielfläche wurde durch einen Röhrenmonitor ersetzt. Da die Technik sehr anfällig ist, haben wir diesen ersten digitalen Flipperautomaten vom Netz genommen.“


Aus deutscher Produktion

Obwohl die Flipperproduktion von Anfang an fest in amerikanischer war und ist, haben sich auch deutsche Firmen mehr oder weniger erfolgreich an Technik und Design versucht. So ist 1960 der „Assomat“ in den Werkstätten von Hans Melchers Automatenbau am Niederrhein entstanden. „Das Besondere an diesen kommerziellen Geräten war wahrscheinlich die Kompaktheit“, vermutet Hillenbrand. Optisch waren sie eher kein Blickfang.

Der innere Spieltrieb

Immer mal wieder wird Axel Hillenbrand  auf seine Spielleidenschaft angesprochen. Bereits in seiner Jugend hat der Diplom-Pädagoge und Diplom-Sozialarbeiter  Flipper & Co. geschwärmt. Mittlerweile verdient er sein Geld als Geschäftsführer des Betreuungsvereins der Arbeiterwohlfahrt Neuwied. „Meine private Sammlung war der Grundstock des Museums, als wir 2006 an den Start gingen. Zu den 150 liebevoll restaurierten Flippern, Videospielautomaten und Musikboxen in der Ausstellung gesellen sich noch weitere hundert im Magazin hinzu.“   


Vater-Sohn-Duell

Das Flippermuseum, das an hundert Tagen im Jahr geöffnet ist, zieht vor allem Väter mit ihren Söhnen in ihren Bann. „Dann zeigt Vati seinem Nachwuchs, wie toll er am Flipper ist und was der Begriff ‚Tilt‘ bedeutet“, lacht der Museumschef, der seine erfolgreiche Diplomarbeit zum „Star Trek“ schrieb und sich später selbst mit einem „Star Trek“-Flipper belohnte. „Bei der Play Station oder anderen modernen Spielkonsolen haben sie ja bekanntlich nicht den Hauch einer Chance.“

Hasse mal 'ne Mark

Das Flippermuseum ist kein öder Lernort, sondern eine ausgeflippte Spiellandschaft. „Bei uns wird an den Wochenenden hauptsächlich gespielt“, verspricht der Herr der Flipper. Eine wichtige Rolle spielt dabei die gute alte D-Mark. Die gibt es nach Entrichtung des Eintrittspreises. Damit kann dann bis zum Abwinken gedaddelt werden. Doch der Vorrat an den Markstücken neigt sich dem Ende entgegen. „Das sind begehrte Sammlerobjekte“, glaubt Axel Hillenbrand und hat eine Idee.

Der Mensch an sich, ist wie ein Flipper. Das Gehäuse aus Kunststoff und zerbrechlichem Glas. Unser Herz, die Seele, das Spirituelle in uns die Kugel.

Nazario Sauro, italienischer Marineoffizier und Irredentist

„Wir führen unser eigenes Zahlungsmittel in Form eines speziellen Token ein. Die Entwicklung ist nicht so einfach, denn der Token muss die mechanischen und elektronischen Münzprüfer in den einzelnen Geräten passieren. Moderne Münzer messen nicht nur Dicke, Durchmesser und Gewicht der eingeworfenen Münze, sondern darüber hinaus sogar die Metalllegierung.“ Eine echte Herausforderung.

Ständiges Auf und Ab

Die letzten beiden Jahre verliefen auch für das Flippermuseum schwierig. Viele Projekte musste der Trägerverein auf Eis legen oder gar verwerfen. Zum Glück hat der Verein bereits vor der Krise die Beleuchtung der einzelnen Spielgeräte auf LED umgestellt. Diese Maßnahme hat immerhin die Stromkostenrechnung um 25 Prozent gedrückt. Doch die Einnahmeverluste waren enorm. Eine staatliche Unterstützung gab und gibt es nicht. „Jetzt müssen wir erst einmal wieder Geld über die Eintrittsgelder und Spenden verdienen. Erst dann können wir über Neuanschaffungen oder andere Projekte nachdenken. Auf der Wunschliste ganz oben steht zum Beispiel der „Super Mario Bros. Mushroom World“. Von diesem Flipper aus dem Jahr 1992 wurden weltweit nur 514 Stück gebaut. Um die neuntausend Euro werden für das seltene Gerät verlangt.

© Flipperhotel
Herberge mit Flipper

Echte Flipper-Fans quartieren sich auch gerne mal für ein Daddel-Wochenende im Flipperhotel ein. Abseits des Alltäglichen bieten zwei Zimmer im Mittelalterlook oder Rennwagenbett und eine Suite eine willkommene Auszeit. Besonders beliebt ist die Suite mit Discokugel und „Capt. Fantastic“-Flipper für Daddeln bis zum Morgengrauen.

© (10) Holger Bernert
Da muss ich hin ...

Deutsches Flippermuseum
Hermannstraße 9
56564 Neuwied
Telefon: 02631 358183
info@flippermuseum.eu
www.flippermuseum.eu
Öffnungszeiten
sa + so, 14 bis 18 Uhr
Eintrittspreise
Erwachsene: sechs Euro, Kinder bis 15 Jahren: 3,50 Uhr, Familien: zwölf Euro (alle Eintritte inklusive fünf, drei oder zehn Freispiele), Jahreskarte: 25 Euro für ein Jahr freien Eintritt

(Alle Angaben ohne Gewähr)

1 Kommentar zu „Ganz schön flippig – In Neuwied ist Daddeln bis zum Morgengrauen möglich“

  1. Es ist immer wieder schön in Zeiten von Film und Fernsehen einen so toll geschrieben Text zu lesen. So macht das wieder richtig Spaß! So viele Information, sachlich geschrieben und trotzdem ein Text zum anfassen…
    Ich habe mich beim lesen gefühlt, als wäre ich vor Ort und bin nun wirklich neugierig geworden.
    Wie sagt Holger Bernert? „…da muss ich hin!“

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