Kunst in der Krise

Für den Düsseldorfer Künstler Johannes Bendzulla sind Zahnarztpraxen und Kunstgalerien durch eine Logik der Reinheit verbunden. In einem Ausstellungsraum wirken die Kunstwerke ganz ohne störende Einflüsse von außen. Dasselbe gilt für Zahnarztpraxen. Dort sorgt ästhetische Strenge in Form von kompromisslosen Hygieneregeln für gesundheitliche Unversehrtheit der Patientinnen und Patienten. Mit seinen digitalen Collagen möchte der 36-Jährige genau diese Gemeinsamkeiten zusammenbringen. Die Ausstellung „Intraoralium“ ist noch bis zum 10. September in den Räumen der Zahnarztpraxis von Julia Simon in Neuwied-Oberbieber zu sehen.

Johannes Bendzulla stellt seine digitalen Collagen in Oberbieber aus

Im Gespräch mit seinem Neuwieder Künstlerkollegen und Ausstellungsorganisator Elmar Hermann verrät Johannes Bendzulla etwas von der besonderen Herausforderung, seine Arbeit im ungewöhnlichen Umfeld einer Zahnarztpraxis zu präsentieren. „Es gibt den gemeinen Begriff der ‚Zahnarztpraxen-Kunst‘, der in abwertender Absicht für besonders dekorative Kunstwerke verwendet wird. Mich hat der spezielle Kontext einer ärztlichen Praxis schon immer gereizt. Es ist kein klassischer Ausstellungsort, aber dennoch traditionell mit Bildern gefüllt. Die Patientinnen und Patienten müssen meist eine gewisse Zeit warten, sind gelangweilt und daher prinzipiell empfänglicher für ihre Umgebung. Ich mag außerdem das Unprätentiöse der Ausstellungssituation, welche viel weniger aufgeladen ist als beispielsweise eine Museumsschau. Ferner sehen so auch jene Menschen meine Bilder, die normalerweise keine Kunstgalerie besuchen würden“.

Eine Zahnarztpraxis als Kunstraum

Sämtliche Motive auf den großformatigen Arbeiten haben etwas mit Zähnen zu tun. Woher kommt das Interesse an den Kauwerkzeugen? Die Antwort des Künstlers: „Ich kaufe häufig Bildmaterial online bei großen Stockimage-Agenturen. Mich interessieren schon lange computergenerierte Darstellungen des menschlichen Körpers, weil sie immer etwas merkwürdig Überperfektes haben – die Organik des Körpers wird durch eine Art mathematischer Abstraktion transformiert. Für mich ist das ein total zeitgenössisches Motiv, weil sich hier ‚körperlose‘ Digitalität, Vergänglichkeit und Unperfektheit der Natur in einem widersprüchlichen Bild begegnen. Mich hat speziell an den computeranimierten Zähnen deren übertriebene Perfektion fasziniert – das Moment der Verunreinigung wird geradezu herausgefordert. Deshalb musste ich einfach mit ihnen arbeiten.“

Des Künstlers Blick auf die Dinge

Ist Johannes Bendzulla auf die Reaktionen der Patientinnen und Patienten gespannt? „Häufig haben Kunstausstellungen etwas Prätentiöses und potenziell Einschüchterndes. Die Art, wie Kunst in professionellen Kontexten präsentiert wird, soll den kulturellen Wert der gezeigten Objekte hervorheben. Dieser Wert ist jedoch prinzipiell fragil. Was .gute und was schlechte Kunst ist, wird permanent neu verhandelt. Bilder in einer Zahnarztpraxis profitieren nicht von jener Aura des Unantastbaren, wie sie in Museen und Galerien erzeugt wird. Die Betrachterinnen und Betrachter begegnen den Arbeiten eher auf Augenhöhe‘, was ich generell als eine schöne Vorstellung empfinde.“

Zwischen Faszination und Irritation

Fotos (4): Johannes Bendzulla

„Was gute und was schlechte Kunst ist, wird permanent neu verhandelt.“

Johannes Bendzulla, Künstler

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