Vom Heimatmuseum zum international beachteten Treffpunkt für Liebhaber Neuwieder Roentgen-Möbel

Die Museumslandschaft in Deutschland ist bunt und vielfältig. In der Bundesrepublik gibt es fast 8.000 Museen und Ausstellungshäuser zu sehr unterschiedlichen Themen. Doch das Roentgen Museum Neuwied ist einzigartig. Nur in der Deichstadt werden die außergewöhnlichen Möbel, Uhren und Wohnaccessoires von Abraham und David Roentgen gezeigt. Vater und Sohn haben während ihrer kreativen Schaffenszeit die Wohnstuben und Repräsentationsräume des europäischen Hochadels mit ihren sehr exklusiven Einrichtungsgegenständen ausgestattet. Museumsdirektor Bernd Willscheid zeigt seine besonderen Kabinettstückchen.

Museumsdirektor Bernd Willscheid bei der Uhreninspektion

Hommage an Vater und Sohn

David Roentgen galt als Genie im Möbelbau des 18. Jahrhunderts. Er war für seine künstlerischen und technischen Fähigkeiten weit über die Stadtgrenzen Neuwieds bekannt. Vor allem für die Könige, Grafen und Fürsten der europäischen Adelshäuser war es seinerzeit ein absolutes Muss, die luxuriösen Einrichtungsgegenstände des renommierten Möbelbauers und seines Vaters Abraham aus der Deichstadt zu besitzen.

Abraham (l.) und David Roentgen galten als geniale Möbelkünstler ihrer Zeit

Leben und Wirken

Der Neuwieder Kunsttischler gehörte im ausgehenden 18. Jahrhundert zu den Megastars unter den europäischen Möbelkünstlern. David Roentgen ging schon in jungen Jahren bei seinem Vater Abraham in die Lehre und erlernte das Handwerk von der Pike auf. Aufgrund seines handwerklichen und kaufmännischen Geschicks brachte er es zu Ruhm und Ehre. Auch das Einkommen war entsprechend, sodass er 1776 gemeinsam mit seiner Familie ein imposantes klassizistisches Bürgerhaus mitsamt Werkstatt im Herzen Neuwieds bezog.

Das Roentgen-Wohnhaus mit Werkstatt in der Neuwieder Innenstadt

Einzigartige Sammlung

Aus dem 1928 eröffneten Heimatmuseum am Neuwieder Raiffeisenplatz wurde 2007 der Ausstellungsschwerpunkt auf die Werke von Abraham und David Roentgen gelegt. Seither ist es als Roentgen Museum Neuwied Anlaufpunkt für Menschen, die sich für die Möbelkunst von Vater und Sohn begeistern. Rund 6.000 Besucherinnen und Besucher kommen jährlich in die Ausstellungsräume und machen sich ein eigenes Bild vom handwerklichen sowie künstlerischen Talent der beiden. Unten ihnen sehr viele Auszubildende aus holzverarbeitenden Berufen, die sich von der einmaligen Handwerkskunst der beiden Möbelschöpfer inspirieren lassen. Zu sehen ist Deutschlands umfangreichste Sammlung von Roentgen-Möbeln, die überaus deutliche Akzente in der europäischen Wohnkultur des späten 18. Jahrhunderts setzte. Darüber hinaus präsentiert das Roentgen Museum Neuwied regelmäßig wechselnde Ausstellungen zur Kunstgeschichte und mit Werken von regionalen und überregionalen Künstlerinnen und Künstlern.

Die Apollouhr gehört zu den wertvollsten Exponaten des Roentgen Museums

Apollouhr

Das tickende Meisterwerk ist das Juwel der Sammlung. Gemeinsam mit dem Neuwieder Uhrmachermeister Peter Kinzig wurde der prachtvolle Zeitmesser 1789 angefertigt. Das handwerkliche Meisterstück wurde später an eine reiche russische Familie verkauft. „Als die Uhr dann 1928 in einer Auktion versteigert werden sollte, schlug die große Stunde der Neuwieder“, erzählt Bernd Willscheid. „Für die Auktion wurden insgesamt 40.000 Reichsmark gesammelt. Die Apollouhr sollte unbedingt wieder zurück nach Neuwied. Den Zuschlag gab es, zur großen Freude aller Beteiligten, schon bei 28.000 Reichsmark“. Ihren spektakulärsten Auftritt hatte die Apollouhr vor zehn Jahren, als sie im Metropolitan Museum of Modern Art in New York gezeigt wurde. Das Herz des Museumsdirektors schlägt jedoch für eine andere Uhr: „Mein Lieblingsstück ist die 1790 entstandene Franklin-Uhr, die in Form eines ägyptischen Obelisken gebaut wurde. David Roentgen ließ sich in Zeiten des Klassizismus von einer Kunstform inspirieren, die man erst sehr viel später im Art Deco vermuten würde. Er war seiner Zeit immer ein Stück voraus.“

Die Roentgen-Möbel sind echte Multifunktionstalente

Europäisches Luxusgut

Damals galten die Möbel aus der Neuwieder Manufaktur als schick. „Es gab keinen europäischen Adelspalast zwischen Paris, London und St. Petersburg, in dem nicht ein Möbel von Abraham und David stand“, weiß Bernd Willscheid, der das Roentgen Museum Neuwied seit 1997 leitet. „Sie bauten ebenso hochmoderne wie funktionale Luxusmöbel“. Natürlich interessierten sich auch Menschen, die nicht aus einem Adelsgeschlecht stammten, für die Möbel aus Neuwied. Allerdings mussten sie damals wie heute über eine prall gefüllte Geldbörse verfügen. Exklusive Möbelstücke mit dieser Geschichte haben halt ihren Preis.

„Das Roentgen Museum wird mir immer eine Herzensangelegenheit bleiben“

Museumschef Bernd Willscheid geht Ende des Jahres in Ruhestand

Von der Verwaltung ins Museum

Als Bernd Willscheid seinen Dienst im Museum antrat, hatte er bereits eine Beamtenkarriere hinter sich. Seit 1977 ist er in der Kreisverwaltung Neuwied beschäftigt. Der 65-Jährige war im Sozialamt tätig und arbeitete in der Schul- und Kulturabteilung. Unter Museumsdirektorin Rosemarie Schütz, die im vergangenen Jahr hochbetagt verstorben ist, wechselte er als Stellvertreter ins damalige Heimatmuseum. „In den ersten drei Jahren war ich parallel noch als Referent für die kreisweite Kultur- und Denkmalpflege verantwortlich.“ Vor 26 Jahren hat Bernd Willscheid nach dem Ausscheiden seiner Amtsvorgängerin die Leitung des Museums übernommen. Unter seiner Regie änderte das Haus seine didaktische Ausrichtung und konzentriert sich seit 2007 monothematisch auf die Möbel von Abraham und David Roentgen.

Gemeinsam mit Thomas Höfner plant Bernd Willscheid den Mueseumstag

Zum Jahresende ist Schluss

Für den Museumsdirektor beginnt Ende des Jahres ein neuer Lebensabschnitt. „Dann gehe ich in Pension“, freut sich Bernd Willscheid, der mit seinem Lebenspartner in Dattenberg bei Linz am Rhein lebt. Langweilig wird ihm im Ruhestand sicherlich nicht. „Ich bin leidenschaftlicher Sänger“, sagt er. Seit fünf Jahren leitet der Bass als Vorsitzender den gemischten Katholischen Kirchenchor Cäcilia Dattenberg. Doch damit nicht genug. „Als neuer Archivar werde ich den Fürsten zu Wied unterstützen, aber sicher auch das Museum – als Vorsitzender des Förderkreises der Roentgen-Stiftung“.

Der Museumschef freut sich auf seinen Unruhestand

Projekt Kunstcafé

Bernd Willscheid, der Kunstgeschichte und Städtefahrten liebt, stammt aus einer traditionellen rheinischen Winzer- und Gastronomenfamilie. „Den alten Gasthof meiner Eltern gibt es noch. Jetzt habe ich die Idee, den Gastronomiebetrieb im Rahmen eines Kunstcafés wieder zum Leben zu erwecken. Das wäre ein Traum von mir.“ Langweilig wird dem zukünftig Unruheständler bestimmt nicht.

Eine musealer Ort für wechselnde Kunstausstellungen

Text und Bilder (9) © Holger Bernert

Da muss ich hin …

Roentgen Museum Neuwied
Raiffeisenplatz 1a
56564 Neuwied
Telefon 02631 803-379
Telefax 02631 803-93606
roentgenmuseum@kreis-neuwied.de
www.kreis-neuwied.de

Informationen und Termine

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