Wenn der waschechte „Schärjer“ Josef Zenger erzählt, wird die Geschichte des Neuwieder Deichs so wunderbar erlebbar

Auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Robert Krups wurde zwischen 1928 und 1932 die siebeneinhalb Kilometer lange Neuwieder Deichanlage erbaut. Sie erstreckt sich von der Flussmündung der Wied in den Rhein bis hin zum ehemaligen Stahlwerk Rasselstein, und schützt die Stadt bis zu einem Pegelstand von 11,20 Meter vor dem Rheinhochwasser. Der in den Deich integrierte Pegelturm, mit seiner markanten Bauform und der im Mauerwerk verbauten Pegelanlage, dient neben der „Deichkrone“ nicht nur als Landmarke, sondern steht als architektonisches Wahrzeichen sinnbildlich für Neuwied als Deichstadt am Rhein.

Josef Zenger am Denkmal von Bürgermeister und „Deichvater“ Robert Krups

Entlang des Deichs

Wer mehr über die Geschichte des Hochwasserschutzdeichs erfahren möchte, kann eine kurzweilige Deichführung mit Josef Zenger buchen. Dabei erfährt man am 600 Meter langen Teilstück, der die Neuwieder Innenstadt vor den Unbilden des Rheinhochwassers schützen soll, alles Wissenswerte rund um die Urkraft des größten deutschen Stroms sowie über die Funktion der drei massiven Deichtore. „Ich erzähle den Menschen etwas über die Planungs- und Bauphase, die Funktionsweise der Pumpwerke und den ausgeklügelten Alarmierungsplan für die Neuwieder Bevölkerung bei extremem Hochwasser.“ Dabei stellt er auch immer die Frage, was an der Bronzefigur von „Deichvater“ Robert Krups falsch ist. Wer die Antwort kennt, bekommt eine kleine Überraschung von dem Deichführer mit Herz. Wir verraten jedenfalls nichts. Eine spannende Zeitreise kann beginnen.

Als zertifizierter Stadtführer kennt der 74-Jährige die Geschichte des Neuwieder Deichs aus dem Effeff

„Mit viel Freude und noch mehr Leidenschaft biete ich meine Deichführungen an“

Josef Zenger ist waschechter „Schärjer“ und zertifizierter Stadtführer

Effektiver Hochwasserschutz

Die früheren Hochwasserkatastrophen waren für die Bürgerinnen und Bürger Neuwieds teilweise verheerend. Sobald Vater Rhein sein angestammtes Bett verließ, überflutete er den nahegelegenen Ortskern. Das änderte sich erst, als sich der damalige Bürgermeister Robert Krups für den Bau einer schützenden Deichanlage einsetzte. Zwischen 1928 und 1932 rückten die Arbeiter mit ihren schweren Baggern an, um dieses einzigartige Schutzsystem am Rhein zu bauen. Der Arbeitsaufwand war immens. Und die Baukosten? Die betrugen damals 7,7 Millionen Reichsmark, von denen die Stadt Neuwied 1,7 Millionen Reichsmark zahlen musste. Eine Rekordsumme für damalige Zeiten.

Dem „Schärjer“ wurde ein Denkmal in der Neuwieder Innenstadt gesetzt

Waschechter „Schärjer“

Als „Schärjer“ wurden Arbeiter in Neuwied bezeichnet, die mit ihren Schubkarren („Schärskaa“) vor mehr als hundert Jahren die Rheinschiffe be- und entluden. Mit dieser harten körperlichen Arbeit verdienten die Menschen damals ihren Lebensunterhalt. Zu ihren Ehren wurde das Schärjer-Denkmal in der Innenstadt gewidmet. Und nur wer in der Deichstadt geboren wurde, darf sich „Näiwidder Schärjer“ nennen. So auch Josef Zenger, der vor mittlerweile 74 Jahren das Licht der Welt in Neuwied erblickte.

Josef Zenger im Deichinformationszentrum

Stadtgeschichte inhaliert

Josef Zenger ist mit seiner älteren Schwester und dem jüngeren Bruder in Neuwied aufgewachsen. „Keine leichte Zeit, so kurz nach dem Krieg“, erinnert sich der umtriebige Stadtführer, der sich auch ehrenamtlich beim Kinderschutzbund und im „Regenbogenhaus“ engagiert. Bereits als junger Mann führte er immer wieder interessierte Gespräche mit seinem verstorbenen Schwiegervater über das Neuwieder Fürstenhaus und die bewegte Stadtgeschichte. „Das war sehr spannend. Ich habe die Geschichten quasi inhaliert. Also habe ich mich immer tiefer in unsere Stadtgeschichte gegraben und intensiv nachgeforscht.“ Seiner Heimatstadt ist Josef Zenger immer treu geblieben. Mit Ehefrau Mechthilde wohnt er noch heute in der Neuwieder Innenstadt.

Seit 2004 führt der gelernte Buchbinder Menschen durch Neuwied

Ausbildung zum Stadtführer

Die logische Konsequenz seiner Recherchen war die Ausbildung zum Stadtführer. „Vor 20 Jahren suchte die Stadt Neuwied nach Menschen, die das machen wollten“, erzählt Josef Zenger. Nach der Ausbildung hielt der frischgebackene Stadtführer im Sommer 2004 sein Zertifikat in den Händen und war mächtig stolz. Fortan führte er die interessierten Besucherinnen und Besucher zu den touristischen und geschichtlichen Hotspots der Deichstadt. Für sein Wissen um seine Heimatstadt wurde er 2016 mit dem Deichförderpreis ausgezeichnet.

Geschichte und Gegenwart der Stadt Neuwied

Die Geschichte des Deichs

Schon als kleiner „Schärjer“ war Josef Zenger von der Magie des 600 Meter langen Schutzwalls begeistert. Im Zuge der 75-Jahrfeier des Hochwasserschutzsystems wurde 2005 der Förderverein Neuwieder Deich gegründet. Ein Jahr später entstand das Deichinformationszentrum, in dem sich der 74-Jährige mit seinem umfangreichen Wissen und Erfahrungsschatz ebenfalls ehrenamtlich einbrachte. Von hier aus startet er auch immer seine beliebten Deichstadtführungen.

Das Deichinformationszentrum am Rhein

Nachwuchs gesucht

Als der ehemalige Buchbinder, der sein Handwerk vor 60 Jahren in der Raiffeisendruckerei von der Pike auf erlernte, Stadtführer wurde, gab es in Neuwied insgesamt zwölf Kolleginnen und Kollegen. „Im letzten Jahr waren es nur noch drei. Und dann wurden auch noch zwei von ihnen krank, sodass ich auf 25 Stadtführungen kam. Aber ich habe es sehr gerne gemacht“ Mittlerweile wurden vier neue Stadtführer ausgebildet. Doch das reicht nicht. Die Stadt sucht weiterhin interessierte Nachwuchskräfte für diese anspruchsvolle Aufgabe. „Wenn ich gesundheitlich fit bleibe, möchte ich noch einige Zeit meine Geschichten zur Geschichte Neuwieds als Stadtführer erzählen“, meint Josef Zenger, der schon auf seine nächste Gruppe wartet.

Viele Wege führen zum Deich nach Neuwied

Text und Bilder (9) © Holger Bernert

Da muss ich hin …

Tourist-Information Neuwied
Marktstraße 59
56564 Neuwied
Telefon 02631 802-5555
Telefax 02631 802-5556
tourist-information@neuwied.de
www.neuwied.de

Informationen und Termine

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert